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Service vs. Vertrieb - Spannungsfeld mit reichlich Umsatzpotenzial


Vielleicht haben Sie in Ihrem Unternehmen schon einmal einen ähnlichen Satz gehört: „Unsere Service-Techniker sind doch vor Ort, die müssen alle mehr Vertrieb machen!“

Aus der analytischen Sicht ist das absolut richtig. Aus menschlich, emotionaler Sicht jedoch ein "dickes Brett". Denn ein Schwenk auf einen solchen, neuen Aufgabenbereich ist für die im Service tätigen Menschen in der Regel alles andere als einfach.





Wenn sich Menschen aus Vertrieb und Service begegnen, dann treffen nicht nur unterschiedliche Persönlichkeiten, sondern auch Menschen mit unterschiedlichen Zielen aufeinander: „Die haben denen wieder etwas verkauft, was gar nicht realisierbar ist“, sagen die Service-Techniker. Aus dem Vertrieb hallt es zurück: „Wenn die ihre Technik im Griff hätten und etwas mehr Kundenbrille tragen würden, dann hätten wir den Umsatz schon längst eingefahren.“ Die Führungskräfte legen unter Umständen noch einen drauf: „Verstehen die denn alle nicht, dass die Kunden uns alle nähren?“ Durch die unterschiedlichen Einstellungen und meist verhärteten Fronten verlieren auf lange Sicht alle - die Kunden inklusive.


Solche internen Störstellen sind bei den meisten technischen Anbietern anzutreffen. Woran liegt das? Warum funktioniert das nicht besser? Antworten findet man, wenn man sich einmal ansieht, welche Persönlichkeitsprofile man üblicherweise im Vertrieb und Service vorfindet:


Vertriebler schätzen typischerweise Freiheit und Selbstbestimmung und fügen sich ungern vorgegebenen Strukturen. Sie bauen beim Kunden Visionen auf und zeigen, wie eine Welt mit dem neuen Produkt aussehen kann. Service-Techniker sind Vor-Ort hingegen eher die Prügelknaben und müssen reichlich Gegenwind aushalten. Der Service kennt das Abarbeiten von „Tickets“, Problemstellungen und Touren und muss naturgemäß viel strukturierter arbeiten. Der Vertrieb arbeitet mit menschlichen Bedürfnissen, Service-Techniker mit Maschinen. Im Vertrieb geht es um emotionale Führung von Menschen, im Service um Logik und Diagnostik. Der Vertrieb hat die undankbare Aufgabe, Umsätze vorauszusagen - was nicht einfach ist. Auf der anderen Seite ist das Abschätzen von Reparaturzeiten ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet.


Wenn man Service-Techniker nun anweist, vertrieblich aktiv zu werden, dann passieren interessante Dinge … die vor allem nicht offen thematisiert werden: Service-Techniker arbeiten "auf Anforderung": Der Kunde meldet ein Problem, Techniker analysieren, reparieren und liefern eine Lösung. Vertriebliche Ansprache ist aber in der Regel ungefragt und erfordert ein pro-aktives Vorgehen. Service-Techniker kommen dabei schnell ein eine Art "emotionale Bettelhaltung", da sich die gefühlten Abhängigkeiten ändern: Nicht der Kunde ist von der Technik abhängig, sondern der Service-Techniker vom Kunden. Schließlich will er etwas vom Kunden, nämlich neue Aufträge.


In der Folge wird verkäuferisches Handeln aus emotionalen Gründen vermieden. Und noch ein Phänomen ist nicht von der Hand zu weisen: Service-Techniker lösen Probleme. Jeder zusätzliche Umsatz hat auch das Potenzial, mehr technische Probleme mit sich zu bringen. A la: „das Chaos, was ich da anzettele, das muss ich auch noch selbst ausbaden.“ In der Folge verhärten die Fronten zwischen Technik und Vertrieb zunehmend. Grotesk ist dabei, dass die einzigen Parteien, die wirklich Vor-Ort-Kundenkontakt haben, sich in vielen Fällen wie zwei streitsüchtige Geschwister verhalten. Im schlimmsten Fall wird sogar in Anwesenheit des Kunden schlecht über die Kollegen geredet. Das die Markenwahrnehmung dabei leidet, das sollte auf der Hand liegen. Auf den Punkt gebracht gilt: Ist ein Kunde erst einmal im technischen Wartungsfenster angekommen, dann entsteht eine sehr große Verkaufslücke. Und die nutzt nicht selten der Wettbewerb positiv für sich.





Die Lösung: Man braucht vor allem eine innerbetriebliche Empathie für andere Abteilungen, deren Akteure und eine klare Strategie, wie man im Service vertriebsrelevanter wird. Klassische Vertriebsseminare helfen hier überhaupt nicht weiter, da diese in der Regel für Vertriebspersönlichkeiten konzeptioniert sind. Es geht weniger darum, Techniker zu perfekten Verkäufern zu machen, sondern diese mit einem „gesunden vertrieblichen Schulterblick“ auszustatten. Sie müssen vor allem dabei unterstützt werden, sich zu guten „Bedarfsspionen“ zu entwickeln. Vertriebliches Wissen muss dabei auf das Wesentliche reduziert und auf die Bedürfnisse und Sprache der Technik angepasst werden. Der Trick liegt dann in einer guten Orchestrierung der internen Kräfte und einer guten, abteilungsübergreifenden Verzahnung der beteiligten Menschen. Moderne Informationstechnik bietet dafür die nötige Wissensbasis und die gemeinsame Sicht auf den Kunden. Nur durch guten Informationsfluss und Verständnis füreinander können B2B Unternehmen den bestehenden „Fuß in der Tür“ nutzen und die Potenziale bei Bestandskunden systematisch heben.

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